Hinter der Fassade

Freund:innen der schönen Fassaden, jetzt werden die Augen verwöhnt: Im Heusteig- und im Lehenviertel ziehen sich gut erhaltene Straßenzüge aus der Gründerzeit den Hang hinauf. Mittendrin hockt die Markuskirche ­­– made of Jugendstil.

Straßenzug, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Queen of Gründerzeit, King of Jugendstil.

Allein wegen ihrer architektonischen Vielfalt sind Lehen- und Heusteigviertel einen Stadtspaziergang wert. Wer durch die Quartiere schlendert, stößt auf Kleinode der Gründerzeit, des Spätklassizismus, des Historismus und des Jugendstils. Im Eduard-Pfeiffer-Haus, einem Neorenaissance-Bau in der Heusteigstraße 49, tagte nach dem Krieg jahrelang der Landtag. Mit reichlich Gebäude-Chic brüsten sich im Heusteigviertel auch die Häuser in der Weißenburgstraße oder der Olgastraße. Ein Kleinod ist der Vorhof des spätklassizistischen Fabrikgebäudes in der Schlosserstraße 11. Und was steckt hinter den Fassaden im Lehenviertel? In der Cottastraße, der Liststraße und ihren Nebenstraßen finden sich zahlreiche Bauten des Historismus. Einige Häuser in der Mozartstraße warten mit Jugendstil-Details auf. Die Fassade des Mozarthauses an der Nr. 36 schmücken eine Mozartbüste und eine gemalte Ansicht von Salzburg. Schlendern strengstens erlaubt!

Markuskirche, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Gotteshaus mit Wow-Effekt: die Markuskirche.

Die Markuskirche ist eine echte Rarität. Sie gehörte zu den ersten in Eisenbeton ausgeführten Gotteshäusern und zählt zu den wenigen Sakralbauten des Jugendstils in Deutschland. Die Kirche, die zwischen 1906 und 1908 nach den Plänen von Heinrich Dolmetsch gebaut wurde, galt im Jahr ihrer Einweihung nicht nur als modern, sondern vor allem als funktional. Um etwa ihre Akustik zu verbessern, wurden die Wände mit Kork verputzt. Auch dank der ungewöhnlichen Stellung ihrer Orgel – „im Angesicht der Gemeinde“ – führte dies dazu, dass sich die Markuskirche zu einer gefragten Konzertkirche entwickelte. Im Inneren stößt du auf Details der Jahrhundertwende, zum Beispiel farbige Glastüren, ornamentale Treppengeländer oder türkis-goldene Lampen. Der Architekt bediente sich ebenfalls anderer Baustile, wie dem Spätbarock, romanischen oder Renaissance-Elementen. Als Besonderheit gilt das hier verabschiedete „Stuttgarter Schuldbekenntnis“, in dem die evangelischen Christen und Christinnen 1945 ihre Mitschuld an den Naziverbrechen eingestanden.