Typisch Heusteig! Original Lehen!

Die „Lehen“ gehören im Lehenviertel der Vergangenheit an. Auch „in die Heue“ steigen die Bewohner:innen des Heusteigviertels schon lange nicht mehr. Dafür treffen sie sich zum Feierabend am Mozartplätzle, trinken ihren Espresso bei „Herbert’z“ oder bei „Lang“ und kommen freitags zum panierten Fisch im „Lehen“ zusammen. Dass sie ihrer „Kochenbas“ treu bleiben, versteht sich von selbst. Großes Generationen-Ehrenwort!

Wernhalde 2023 016, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Namensgeschichte(n): Heusteig, Holz und Lehen.

Nein, das Heusteigviertel hatte in seiner Vergangenheit nichts mit Heu zu tun – sondern mit Holz. In den Wäldern, die sich einst am Fuß des Bopsers und vor den Toren der Stadt ausdehnten, wurde Holz geschlagen beziehungsweise „gehauen“. Dem „in die Heue steigen“, also dort hinaufsteigen, wo Holz gehauen wurde, verdankt das Viertel seinen Namen. Der Flurname „Im Lehen“ wurde bereits 1304 erstmals genannt. Unter „Lehen“ verstand man im Mittelalter ein Gut in Form von Grund und Boden. Dieses „Lehen“ verlieh der Lehensherr den Bauern zur Nutzung unter der Bedingung von Abgaben und Gegenleistungen. So kam das Viertel bereits zu seinem Namen, als es dort nur Gärten und Weinberge gab. Erst 1878 wurde die Lehenstraße angelegt, um 1900 begann die massive Bebauung mit Mietshäusern im Jugendstil.

Mozartplätzle, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Inoffiziell wichtig: das Mozartplätzle.

Der Name taucht in keinem Stadtplan auf, ist aber in aller Munde: Das Mozartplätzle an der Ecke Mozart- und Immenhofer Straße gibt’s offiziell gar nicht. Den Mozartplatz am unteren Ende der Mozartstraße dafür sehr wohl. Das eigentliche Nachbarschaftszentrum ist aber hier am Plätzle, nicht dort am Platz. Am „Hörnle“, der runden Steinmauer mit Sitzfläche, und im Schatten der gut erhaltenen Gründerzeitbauten treffen sich die Lebenskünstler:innen des Quartiers. Bei einem Espresso im „Herbert‘z“ diskutieren die Anwohner:innen mal über die soziale Schieflage, mal über die Anforderungen eines hippen Kinderwagens. Wenn der Jahreszeitenflohmarkt oder das Heusteigviertelfest naht, wimmelt es dann überall. Am Plätzle und Platz.

Herbert'z qd, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Espresso-Zuhause für alle: „Herbert’z“.

Das Lehenviertel ohne „Herbert’z“? Undenkbar. Die Espressobar überzeugt als Stadtteilzentrale und Nachbarschaftsbiotop. Ihr Herzstück düst und zischt, was das Zeug hält: Die kupferglänzende Elektra-Kaffeemaschine versorgt alle morgen- oder mittagsmüden Gehirnzellen mit vorzüglichem Kaffee. Dazu gibt es nicht nur Croissants, Brötchen, hausgemachten Kuchen und einen günstigen Mittagstisch, sondern auch nostalgisches Kaufladenflair inklusive einer Sammlung alter Kaffeemühlen, Porzellan und Nippes. Beim Barbetrieb werden am Abend auch die Nachbarschaftseulen und Spätstarter:innen mit Drinks und Snacks beglückt – und manchmal auch mit Livemusik.

Außenbereich Kochenbas, © Kochenbas, Stuttgart
Wohnzimmer der Generationen: „Kochenbas“.

Da rücken sie zusammen, auf den Holzbänken der Weinstube „Kochenbas“, von Anzug bis Strickjacke, Studi bis Silberfuchs. Hier wollen nämlich alle Generationen das Gleiche: Sich in den Rostbraten verlieben. Wahlweise auch in die Spätzle mit Linsen und Saiten. Und natürlich dürfen die Viertele nicht vernachlässigt werden. Im Sommer ruft der Biergarten mit Laube. Die Anekdote, wie die schwäbische Institution zu ihrem Namen kam, ist schnell erzählt: Die ehemalige Wirtschaft „Zum Immenhofer“ wurde einst von der Weingärtnerfamilie Koch gekauft und von der „Bas“ (schwäbisch: die „Kusine“) Pauline Koch betrieben. Auf dem Weg zur Wirtschaft ging es also „zum Koch seiner Bas“. Damals wie heute fühlen sich die Gäste immer noch wie bei der „Bas“ zu Besuch – nämlich pudelwohl!

Das Lehen, Stuttgart, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Zu (Stamm)tisch im „Lehen“.

Gerichte wie bei Omi, Ölgemälde wie bei Großonkel Alfons und ein Bücherzimmer wie bei Tante Adelheid. Das „Lehen“ ist Kult: Schon der Uropa schlotzte 1904 sein Viertele in dieser Eckkneipe. Auch im 21. Jahrhundert kommt die Nachbarschaft weiterhin in ihrem zweiten Wohnzimmer zusammen. Ob die Damenrunde, die sich freitags zum panierten Fisch mit Kartoffelsalat trifft, oder der Eisenbahner-Stammtisch, der Modellzüge über den Tisch sausen lässt – alle haben ihren Platz, denn das Gasthaus am Eck schreibt Zusammengehörigkeit groß. Die Atmosphäre und das deftig-schwäbische Essen ziehen alteingesessene Stammgäste wie Neuzugänge an. Im Nebenzimmer greifen die Spielfreudigen zur Queue und spielen eine Runde Billard. Eine TV-Karriere hat das Lehen auch schon hinter sich: Für den Stuttgart-Tatort „Der rote Schatten“ verwandelte sich die Kneipe für elementare Szenen zum 70er-Jahre Lokal.

Café Lang qd, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Szenetreff: „Café Lang“.

Was darf’s sein? Ein Doppio? Americano? Cortado? Egal, worauf die Wahl nun fällt – das „Café Lang“ trägt seinen Beinamen nicht ohne Grund: „My best Espresso“ gibt’s hier immer. Außerdem: allerlei Kaffeespezialitäten und -zubehör zum Mitnehmen. Der Szene- und Nachbarschaftstreff vollendet das Dreieck zwischen „Kantinchen“ und Hängemattenladen.