Schöne Fassade, eine Menge dahinter: Im Foyer des „Theater Rampe“ geht die Zahnradbahn schlafen. Anstelle des Erwin-Schoettle-Platzes stand früher eine Schule. Der Bau des Marienhospitals sorgte für Skandale. Dafür war der Kaiserbau schon um die Jahrhundertwende hip. Mit dem Eiernest entstand in den 1920er Jahren ein Miniaturwunderland, während das Heslacher Stadtbad einen modernen Bogen schlug.
Wo kleine Zacken träumen: „Thtr Rmpe“.
Alles Theater? Ja, klar! Und auch ein ehemaliger Bahnhof? Na sicher! Sowas gibt es nur in Stuttgart: Das neobarocke Gebäude an der Filderstraße wurde 1907 als Talstation für die Zahnradbahn aka „Zacke“ erbaut. In den 1930er Jahren wurde die Bahntrasse schließlich über eine Brücke auf den Marienplatz umgeleitet, da dort die Straßenbahnanschlüsse besser zu erreichen waren. Seit 1992 beherbergt der ehemalige Zahnradbahnhof das „Theater Rampe“. Die Kulturstätte hat sich zu einem der führenden Autorentheater mit Stücken der Gegenwart gemausert. Doch Achtung: Jeden Abend um Punkt 21 Uhr öffnet das Haus seine Tore für einen alten Stammgast. Dann darf das Theaterpublikum miterleben, wie die Zahnradbahn ins Foyer zuckelt, um ihre Schlafstätte aufzusuchen. Bis zum heutigen Tag dient das Gebäude nämlich noch als Depot für die heißgeliebte „Zacke“.
Miniaturwunderland: unterwegs im Eiernest.
Bullerbü liegt oberhalb des Marienhospitals und hört auf den Namen „Eiernest“. 176 kleine Reihenhäuser schmiegen sich hier eng an eng. Die Stadt ließ die Siedlung 1926 für städtische Arbeiter:innen und Angestellte errichten. Aufgrund der damals herrschenden Wohnungsnot entstand die Anlage im Rahmen eines Programms für sozialen Wohnungsbau. Das Hochbauamt orientierte sich dabei am Ideal der englischen Gartenstadt. Schlicht, einheitlich, mit Satteldach, grünen Fensterläden, identischen Türen und Gärtchen sollten die Gebäude sein. Grundfläche: 45 Quadratmeter. Ursprünglich für die Dauer von zehn Jahren geplant, stehen die einstöckigen Einfamilienhäuser hundert Jahre später noch immer an Ort und Stelle – inzwischen als Ensemble unter Denkmalschutz. Habichtweg, Sperberweg... Wieso haben hier alle Straßen einen Vogel? Ihren Namen hat die Siedlung dem gleichnamigen Gewann am Rande des Stuttgarter Talkessels zu verdanken. Ursprünglich lautete der Name des Gebiets am Fuß eines Weinbergs allerdings Adlernest. Eine Adlerstraße gibt es auch heute noch unweit der Anlage… die wiederum von der Eierstraße eingefasst wird.
Zwanziger-Jahre-Planschen im Stadtbad Heslach.
Das Stadtbad Heslach wurde im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaut und glänzte bei seiner Einweihung 1929 als das größte Hallenbad Deutschlands. Anstatt der damals üblichen „Volksbrausestätten“ hatte in Stuttgart ein luxuriöses Bad eröffnet. So gab es hier ein 50-Meter-Schwimmbecken und ein römisches Dampfbad. Das gewölbte, mit Lichtbändern versehene Dach der Halle wird von neun Stahlbetonbögen getragen und war seinerzeit eine einmalige Konstruktion. Eine weitere Besonderheit: Das Bad konnte in zwei Bereiche aufgeteilt werden, um Damen und Herren beim Planschen voneinander zu trennen. Anfang der 1990er Jahre wurde das Kulturdenkmal saniert und das Becken in ein Sprung-, Kinder- und 25-Meter-Becken unterteilt. Selbst die Umkleidekabinen stehen hier allerdings noch unter Denkmalschutz!
Hip seit 1911: der Kaiserbau.
Fünf Geschosse, fünf Gebäude. Seit 1911 dominiert der Kaiserbau mit einer Länge von über fünfzig Metern die Szenerie des Marienplatzes. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Mit einem Kaiser hat das Gebäude nichts zu tun. Der Koloss wurde nach der dort ansässigen Automatenfabrik „Kaiser“ benannt. Diese Firma eröffnete bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Erdgeschoss des Gebäudes ein Automatencafé – und brachte damit einen Trend von Nordamerika über den Atlantik. Das Lokal glich einer Bahnhofshalle mit Jugendstildekor. Im Automatencafé huschten nicht wie üblich die Kellnerinnen mit weißen Schürzen zwischen den Tischen herum. Vor über 100 Jahren war es nämlich im Kaiserbau bereits möglich, die Türen eines Schaukastens per Münzeinwurf zu öffnen, um die vorbereiteten Kuchen, Brötchen und Getränke selbst zu entnehmen. Auch seine Getränke zapfte sich König Kunde selbst. Selbst ist der Kaiser!
Skandalös-pompös: das Marienhospital.
Das Marienhospital entstand 1890 im Auftrag katholischer Ordensschwestern. Der Bau des Krankenhauses war der protestantischen Bevölkerung ein Dorn im Auge. Sie unterstellten den Schwestern gar, sie würden ihre Patient:innen dazu verleiten, zum Katholizismus zu konvertieren. Und das Gebäude erst: Ein kirchliches Hospital, das unter anderem durch Spendengelder finanziert wurde, sollte nicht derart protzig daherkommen. Dabei stellt der Altbau an der Böheimstraße bereits eine abgespeckte Version der ursprünglichen Pläne dar. Der Architekt hatte aus Kostengründen an der Neorenaissance-Fassade Abstriche machen müssen. Wenn auch Religion heute eine untergeordnete Rolle im Betrieb des Marienhospitals spielt, so sind hier weiterhin 45 Ordensschwestern tätig. Ihr Wohnheim beherbergte zeitweise eine Berühmtheit – den ehemaligen Ministerpräsident Erwin Teufel. Wenn sich eine Fahrt in seine Heimat Spaichingen nicht mehr lohnte, hatte der Regierungschef eine 23-Quadratmeter-Wohnung im Krankenhaus angemietet.