Eine Brücke, die sowohl trägt als auch trügt. Nur wenige Meter weiter: Ein Weinberg, der einfach mittendrin wächst. Und dann diese zwei Straßennamen, die einfach aus der Reihe tanzen. Wo bist du hier bloß gelandet? Klarer Fall: im Europaviertel.
„Bridge/Ramp 1994“: trägt und trügt.
Zielstrebig strömen die Passanten und Passantinnen täglich durch den Innenhof der Landesbank Baden-Württemberg. Die gelb-schwarze Rampe am LBBW-Forum kommt ihnen dabei genau recht. Doch halt! Schau genauer hin: Das ist Kunst. „Bridge/Ramp“ von 1994 ist eine Arbeit von Siah Armajani. Der aus dem Iran stammende Künstler konzipiert seine Arbeiten gezielt zur Benutzung – außerhalb des Kunstkontexts. Wer die Brücke und ihre Statik betrachtet, wird überrascht. Sie spielt gekonnt mit Größe und Entfernung, Sein und Schein. Das stählerne Fachwerk sieht weit nützlicher aus, als es tatsächlich ist. Getragen wird der Steg nämlich einzig durch die Stützen unter ihm. Und all der Stahl drumherum? Hat keinerlei statischen Nutzen! Auch das Wasserbecken unter dem Kunstwerk dient nur dem Zweck, die Illusion der Brücke zu nähren.
Der Weinberg mittendrin.
Reben, überall Reben! Auf 400 Hektar wird in 16 von 23 Stuttgarter Stadtbezirken Weinbau betrieben. Am zentralsten liegt der denkmalgeschützte Weinberg oberhalb der Jägerstraße, 300 Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Unter der Aufsicht der Stuttgarter Industrie- und Handelskammer und der Landesbausparkasse wächst auf 1,5 Hektar in Steillage die Grundlage für den Kammerwein „Kriegsberg“. 7.000 Flaschen IHK-Wein werden jährlich gepresst. Bestockt ist der Kriegsberg mit der Weißweinsorte Riesling. Die Rotgewächse Lemberger und Cabernet Franc haben vor zehn Jahren den heimischen Trollinger abgelöst. Das kleine Weinberghaus von 1868 diente schon als Kulisse für den „Tatort“ und für Theaterstücke.
Tanzen aus der Reihe: Kaulla und Etzel.
Osloer Straße, Pariser Platz, Milaneo. Im Europaviertel sind Italien, Frankreich und co nie weit. Nur zwei Namen passen nicht ins (Straßen)bild: der Karoline-Kaulla-Weg und die Carl-Etzel-Straße. Die Frage nach Carl Etzel ist rasch geklärt. Der Eisenbahnpionier war am Bau des ersten Stuttgarter Centralbahnhofs beteiligt und glänzte als Erschaffer spektakulärer Viadukte in Österreich und der Schweiz. Eine Straße in Bahnhofsnähe nach ihm benennen? Macht Sinn! Was hat es mit Karoline Kaulla auf sich? Die Dame betrieb ein Handels- und Kredithaus und kann mit Fug und Recht als die erste Bankerin Deutschlands bezeichnet werden. Ende des 18. Jahrhunderts galt sie als eine der reichsten Frauen Europas. Die wohltätige Businesswoman lieferte den Adelshöfen alles, was sie brauchten – sei es für rauschende Feste oder den Kampf gegen Napoleon. Ob Radfahrer:innen, die über den Karoline-Kaulla-Weg durch das Bankenviertel düsen, an die Powerfrau denken? Vielleicht tust du es ja ab heute...